Deutscher Postbote dringt als Gerichtspsychiater in die Psychiatrie ein

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Nach einer katastrophalen Behandlung seiner Mutter wollte der deutsche Postbote Gert Postel beweisen, dass Psychiatrie ein Betrug ist und infiltrierte erfolgreich die forensische Psychiatrie und wurde mit erfundenen Diagnosen beinahe zum Professor für forensische Psychiatrie und Direktor einer forensischen Klinik ernannt.

Was bedeutet es, wenn ein Postbote mit erfundenen Diagnosen Dutzende von gerichtspsychiatrischen Gutachten erstellen kann, die auf Experten einen authentischen Eindruck machen? Und dass er beinahe zum Direktor einer forensischen Klinik gepaart mit einer Professur für forensische Psychiatrie an der Universität Leipzig aufgestiegen wäre?

Postbote Gert Postel selbst sagt dazu:

Postel: „In der Psychiatrie kann man alles plausibel erklären: Als Psychiater kann man das Gegenteil behaupten, aber auch das Gegenteil vom Gegenteil. Wer das psychiatrische Vokabular beherrscht, kann endlos Unsinn abbuchen und gebildete Menschen packen.'

Postel: „Es geht um psychiatrische Sprachakrobatik und ein bisschen Inszenierung.“ Postel: 'Ich dachte mir: Wer ist hier der Betrüger: Sie oder ich?'

Tatsache ist, dass Postel nicht aufgrund seiner Inkompetenz entlarvt wurde, sondern aufgrund eines zufälligen Zufalls. Fakt ist auch, dass Postel bei seinen Vorstellungsgesprächen und auch bei Beratungsabenden in der Klinik über erfundene Syndrome spricht, ohne Verdacht zu erregen. Postel sprach beispielsweise von „ der bipolaren Störung dritten Grades “ und von „ kognitiv bedingten Verzerrungen in der stereotypen Urteilsbildung “. Seine Kollegen fanden es sehr interessant.

Kaum war Postel als Betrüger entlarvt, behaupteten die Ordnungshüter des sächsischen Ministeriums, er habe in der Klinik nur Verwaltungsarbeit geleistet. Seine direkten Kollegen in der Klinik stellten schnell fest, dass ihnen bereits aufgefallen sei, dass der Scheinarzt nur rudimentäre Kenntnisse in Psychiatrie habe. Die Wahrheit war schmerzhafter. Postel hatte bei seinen Vorgesetzten in der Klinik einen so guten Eindruck hinterlassen, dass sie ihn für eine Beförderung empfohlen hatten. Eines der Dinge, die der Pseudoarzt sehr gut zu beherrschen schien, war die Erstellung von Berichten über kriminelle Patienten für die Justiz. Die Referenten des Ministeriums schließen sogar irgendwann den Plan ab, Postel zum Direktor einer forensischen Klinik und damit verbunden zum Sonderprofessor für forensische Psychiatrie an der Universität Leipzig zu machen.

Die ganze Geschichte gibt es im folgenden Artikel:

(2004) Ein Postbote wird forensischer Psychiater Autobiographie eines erfahrenen Betrügers. „Wer das psychiatrische Vokabular beherrscht, kann endlos Unsinn abbuchen und gebildete Leute damit verpacken“ – so der ehemalige Postbote Gert Postel, der es in die Tat umsetzte. Quelle: Skeptiker-Magazin (PDF)


Ein Gespräch mit Gert Postel

Von Harald Merckelbach

Herr Postel, nicht um zu psychologisieren, aber sollten wir Ihren Auftritt in Zschadrass als eine Art Racheübung sehen?

Postel: Es gibt tatsächlich einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Suizid meiner Mutter und meiner späteren Karriere als Psychiater. Meine Mutter litt an einer endogenen Depression. Ein Nervenarzt gab ihr zwar Medikamente, aber keine Antidepressiva. Das führte zu ihrem Selbstmord. Damals hatte ich das Bedürfnis, mich über die Psychiatrie lustig zu machen. Ich wollte zeigen, dass jeder Postbote wirklich weit kommen kann mit dem, was in dieser Wissenschaft steht. Andererseits hatte ich das Bedürfnis, Menschen zu helfen, die in die Hände von Psychiatern geraten waren.

Haben sich die deutschen Gerichtspsychiater über Ihren Fall die Ohren gekratzt?

Postel: Mit einer einfachen Nachahmung ihrer Methoden kann man sich von den deutschen Gerichten lösen, aber das hat bei den Gerichtspsychiatern nicht zum Nachdenken geführt. Sie hatten das Bedürfnis, sich von mir zu distanzieren und so zu tun, als würde ich nicht wirklich zu ihnen gehören. Ein ganzer Berufsstand schien in seinem Narzissmus verletzt. Ich denke auch, dass diese Gruppe darin eine Bedrohung ihres vermeintlichen Fachwissens, ihrer Professionalität, ihrer schönen „Wissenschaft“ und ihrer Allmachtsphantasien sah.

In Ihrem Buch betonen Sie, dass für die Gerichtspsychiatrie gerade ein dunkles Vokabular erforderlich ist. Glauben Sie, dass so etwas auch für die Psychologie gilt? Haben Sie zum Beispiel Patienten Tests unterzogen und Berichte darüber geschrieben?

Postel: Die Psychologie mit ihren Testmethoden hat mich nicht interessiert, weil das spekulative Spiel dort wesentlich geringer ist als in der Psychiatrie. In der Psychiatrie genügt ein Hauch von Worten, um zu beeindrucken. Ich habe in Fortbildungskursen über nicht vorhandene Syndrome gesprochen („Bipolare Depression dritten Grades nach Bucher“). Aus Angst, auf andere einen inkompetenten Eindruck zu machen, traute sich niemand, eine Frage zu stellen.

Sie sind ein Schopenhauer- und Nietzsche-Spezialist. Einige Ihrer Kapitelüberschriften scheinen sich auch auf Nietzsche zu beziehen ("Wie ich den Staat Sachsen vor einem großen Fehler bewahrte"). Was finden Sie so beeindruckend an diesem, auch eher dunklen, Philosophen?

Postel: Heutzutage diskutieren alle möglichen deutschen Professoren über Willensfreiheit und tun so, als seien sie unzugänglich. Aber lesen Sie den Aufsatz über seine Willensfreiheit und auch den zweiten Teil von Welt als Wille und Vostellung und dann verstehen Sie, warum ich Schopenhauer so zugetan bin. Im Moment lese ich Das Kritikon von Gracian. Ich empfehle dringend, es zu lesen. Für mich ist es so etwas wie eine Katarakt-OP für einen Blinden.

Als ich Ihr Buch las, hatte ich manchmal ein letztes kretisches paradoxes Gefühl. Der Betrüger erzählt eine Geschichte ... Können Sie mir sagen, dass ich dieses Gefühl verletzen kann?

Postel: Es tut mir leid, wenn Sie dieses Gefühl haben. Mir ging es nicht so sehr um die Wahrheit, sondern um die Schönheit der Geschichte.

„Auch ein verkleideter Affe kann ein Psychiater werden!“